Meer.

Ein Zug.
Gegenüber das Tier. Klein, weich.
Rüssel, Ohren, Borsten.
Die Leine aus Plastik schneidet kaum in die Hand.

Straße zum Meer.
Sackgasse.
Obstbäume, voll bis in die dünnen Zweige.
Fremde Männer pflücken, füllen ihre Taschen.
Blicke, flüchtig.
Ich halte die Leine. Sage nichts.

Das Meer glänzt.
Links Musik.
Ich gehe hin.

Ein Haus.
Viele Menschen.
Ich kenne fast alle.
Mein Lächeln. Ihre Blicke vorbei.
Sätze, die irgendwo landen, nicht bei mir.

Ein heller Raum.
Ein alter Mann im Sessel. Perücke,
schief aufgesetzt.
Er singt.
Keine Melodie, die ich kenne.
Hinter ihm das Fenster, dahinter das Meer,
morgenhell.

Ich bleibe in der Tür stehen.
Das Tier liegt zu meinen Füßen.
Der Mann singt weiter.
Ich denke:
Er wird irgendwann aufstehen.
Dann wird das Meer seinen Namen kennen.

©Fotografie: Antje Weyrich ©Text: Marcus-Andreas Mohr

Selbst mit Mutter und Krone*

Mutter, du hast mich zu Fleisch gemacht.
Hast mir die Krone aufgesetzt.
Mich gebettet, genährt und durchs Leben geführt.
Hast mir die Sachen genäht und das Brot belegt.
Von Anfang an hast du mich getragen.
An deiner Brust auf deinen Armen.
Hast mir immer und immer die Hände gereicht.
Für mich mich besungen.
Geschichten erzählt.

Ich war noch kein König.
Lediglich ein Prinz.
Du hast die Krone für mich passend gemacht.
Der Prinz zog aus.
Und du hast geweint.
Kein Blick kam zurück.
Die Welt neben dir war anders schön.
Den Weg zum König wollte ich alleine gehn.
Er war steinig.

Oft einsam und voll Erinnerung.
An das Sanfte in dir.
Mit dir und ohne dich.
Ich bekam eine Rüstung.
Hatte selten ein Pferd.
Bei dir lernte ich gehen.
Und das war gut.
Es half mir verstehen.
Entdecken und sehn.

Jetzt bin ich der König und du bist weg.
Ich seh dich auf Bildern.
Auf Papier und im Kopf.
Es verdrängt das Verdrängen.
Das Vergessen bleibt aus.
Aber Verstehen gelingt besser.
Und ich seh nun mich in dir.
Wie ich sitze und warte.
Dass du wiederkommst.

Um dir zu danken.
Und zu sagen.
Wie stolz ich bin.
Nur allein.
Dein König zu sein.

*nach einem Bild von Doris Ziegler