OBSCURA – Frohe Zukunft

Wir haben die Tage gezählt.
Und die Fugen im Boden.
Wir haben die Anderen gequält.
Und marschierten nach Noten.
Wir haben das Licht gesehen.
Und wollten den Sinn verstehen.
Wir sind nicht rausgekommen.

Man hat unsere Frohe Zukunft genommen

Zum Projekt: „Die Jugendhaftanstalt, offiziell als „Jugendhaus ‚Frohe Zukunft‘” bezeichnet, existierte von 1971 bis 1989. Mit bis zu 1500 männlichen, meist jugendlichen Häftlingen aus der gesamten DDR war das im Norden von Halle gelegene „Jugendhaus“ eine zentrale Institution der Sozialdisziplinierung der DDR. Es war die modernste und größte Jugendhaftanstalt der DDR, und eines der wenigen Gefängnisneubauten.

In der öffentlichen Erinnerung ist das Jugendhaus sowohl in Sachsen-Anhalt als auch darüber hinaus bisher nicht sichtbar. Um das zu ändern, soll die Geschichte des „Jugendhauses“ Halle nun erstmals systematisch und unter Nutzung bisher nicht verwendeter Quellen aufgearbeitet werden.“ (Quelle: https://www.zeit-geschichten.de/…/soz…/jugendhaus-halle/ )

April

Liebe A., nun ist schon wieder April- es wird wohl ewig „unser“ Monat bleiben. In ihm haben wir ein Leben gemacht. In ihm hast du ein Leben gelassen. Und wieder blühen die Obstbäume. Es brennen neue Feuer. Die Natur wird zur Passion.

Ich lese die Tagebücher der Maxie W.* und erinnere vieles. Du hattest sie damals gelesen und ich habe es nicht verstanden- so, wie ich überhaupt nur wenig verstanden habe.

* „Alles, was ich nicht gelebt habe, die tiefe Trauer über ungelebtes Leben, wie viel Schönheit uns verloren geht, für immer. Und wir lebten manchmal so, als ob wir unermesslich viel Zeit hätten.“

O. sagt, du würdest (als unsichtbarer Engel) immer noch hier sein und wachen. Ich möchte das gerne glauben und werde immer wieder versuchen, dich irgendwie sichtbar zu machen.

Ich bewahre alle Polaroids im Kühlschrank auf. Gefroren haben wir nie- damals hinterm Mond

reminds of Orol dengizi

causes hallesche störung – Magazin für andere Ideen Winter 2021/22

»Als ich an seinem Ufer stand und durch sein, von vielen kleinen Wellen gekräuseltes Wasser den mit Gelbgrün bedeckten, schlammigen Grund sah, hatte ich das Bedürfnis, wie nach einer langen Beziehung, in welcher Leidenschaft und Liebe verlorengegangen sind, die Frage zu stellen- wie soll es nun mit uns weitergehen! Ich fühlte mich unendlich traurig und am, nur zu erahnenden, Horizont wirbelte das Salz und der Sand als wilde Wolken zum graublauen Himmel empor. Zu meinen Füßen lagen Tierkadaver. Außer dem Fauchen des Windes war nichts zu hören. Meine Tränen zogen lange Spuren in meinem staubigen Gesicht. Ich glaube, in diesem Moment hatte ich den größten Teil meiner Hoffnung verloren.«
[selbst am Aralsee im April 2021]

Danke an Jörg Wunderlich von hallesche störung für das Veröffentlichen.
Im April 2021 war ich für das Institut für Demokratie, Medien und Kulturaustausch IDEM als Medien-Referent in einem Umwelt-Projekt in Usbekistan am Aralsee unterwegs.

Einschluss

»Über zwölf Stunden Vernehmung waren vorbei. Draussen war es bereits dunkel, als er in der Mitte der Rückbank des Bereitschaftswagens, zwischen zwei Beamten vom Präsidium in der Neustadt durch die menschenleere Nacht in die Altstadt gebracht wurde. Dort öffnete sich automatisch ein riesiges Tor zu einem finsteren Hof auf den in tiefer Stille schwarze vergitterte Fenster starrten. Er hatte keine Ahnung, wo er war. Ab jetzt folgten all seine Handlungen den Anweisungen uniformierter Vollzugsbeamter.«